24. Oktober 2008

Altmodisch
 
Nach Kuranyi hat der Bundestrainer jetzt also auch Heidenreich geschasst. Gut, es war nicht derselbe Bundestrainer, aber es war dieselbe dahinter stehende Haltung. Zwei Mitarbeitern ist, nachdem sie jahrelang hingehalten worden waren, der Kragen geplatzt. Zwei Chefs zeigen nicht etwa Verständnis oder ein endlich offenes Ohr, sondern eine Personalführung aus dem neunzehnten Jahrhundert. Das Wichtigste ist es, die Hierarchie zu wahren, ohne Diskussion: "Die Trennung ist irreversibel." (Schächter) - "Es gibt kein Zurück mehr, das ist definitiv." (Löw)

Heidenreich hat ja kräftig ausgeteilt, aber sie hat auch recht. Auch ich schämte mich, als ich noch fernsah. Ich schämte mich täglich, dass ich dieses niederträchtig flache Zeug über mich ergehen ließ. Heidenreich hat den letzten Schritt noch vor sich. Sie schämt sich schon, aber sie hört noch nicht freiwillig auf.

Viele Kritiker reden jetzt Heidenreichs eigene Sendung schlecht. Dabei müssen sie das gar nicht. Auch sie hat ja Fernsehen gemacht. Was will man da erwarten. Ein einfacher Vergleich: Wie lange dauert eine gewöhnliche Literatursendung? Und wie lange braucht man, eine Seite mit Buchrezensionen aus einer Tageszeitung vorzulesen? Wieviele Literatursendungen bringen alle Fernsehsender in Deutschland zusammen im Monat? Wieviele Seiten über Literatur bringt eine einzelne Tageszeitung im Monat? Da hat das Fernsehen keine Chance.

Dennoch ist der Versuch aller Ehren wert, Leute, die es gewohnt sind, ihre Augen starr auf laufende Bilder zu richten, dazu zu verführen, statt dessen ihre Augen laufen zu lassen, über stehende Buchstaben.

In dieser Situation hat Heidenreich nicht das Schlechteste gemacht. Ich habe zwar keine ihrer Sendungen ganz gesehen. Mein daher oberflächlicher Eindruck war jedenfalls, dass sie an ihre Bücher rein subjektiv herangegangen ist, ohne scheinobjektive Kriterien, ohne Raffinesse, dafür aber verbindlich und mit ganzem Herzen, man kann auch sagen: hausbacken. In dem gleichen Ton waren ihre Artikel der letzten Tage gehalten. Und es zeigt sich, dass ihre Art zwar als Präsentationsstil, als Oberfläche, gefiel, als Arbeitsauffassung - unter der Oberfläche - aber nicht geduldet wird.

 

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