13. September 2013

Das Licht hatte sich meterdick ins Zimmer gestopft
 
Zu den vielen Büchern, die ich letztens geschenkt bekommen habe, gehört Etwas fehlt immer, achtzehn Erzählungen von Guy Helminger.

Alle Geschichten spielen in derselben Großstadt und sind untereinander durch Orte und Personen verbunden. Die meisten konzentrieren sich auf ein Vorstadtviertel und ein Innenstadtviertel und liegen zeitlich, in einer angedeuteten Reihenfolge, nicht weit auseinander.

Indem die meisten Hauptpersonen der einzelnen Geschichten in anderen als Nebenfiguren wiederkehren, entsteht noch kein Roman, wie man es von Sherwood Andersons Winesburg, Ohio finden kann, da hier die Erzählungen thematisch zu weit auseinander liegen. Es ist aber kaum möglich, sobald man begriffen hat, dass alle Texte auf solche Weise miteinander verbunden sind, sie noch als einzelne Geschichten zu lesen, zumal einige unbeendet wirken. Über eine unterhaltsame Marotte gehen die Verbindungen trotzdem nicht hinaus.

Es wird hier viel gestorben: durch Mord und Totschlag in vier Geschichten, durch Unfall in dreien, in einer durch Selbstmord. Hinzu kommen eine Reise ins Totenreich, das Dräuen von Gewalttaten in mehreren Geschichten sowie der Mord an einem Hund.

Lichter und Klänge führen in allen Texten ein Eigenleben und bewegen sich mal in fester, mal in flüssiger Form. Beschreibungen des Wetters folgen einem ähnlichen Muster. Als äußere Bewegung werden auch einige innere Vorgänge dargestellt, etwa Schwindel: Die Leute „hingen an seiner Schwerkraft wie Kirmesbesucher, gepresst an kreisende Metallwände.“ Viele Personen haben auffällige Eigenarten, wiederholen etwa eine bestimmte Geste oder tragen stets wiedererkennbare Kleidung, was aber die Geschichten nicht voranbringt. Auffällig sind auch die Namen vieler Figuren, wie „Apf“, „Bachmall“ oder „Flaumer“, die wie ganz normale deutsche Namen klingen, es aber nicht sind.

Was die Geschichten voranbringt, sind größere Merkwürdigkeiten. Der Hundemörder nimmt das Jaulen des sterbenden Tiers auf und empfindet es als Musik. Ein Zigarettenholender findet seine Wohnung nicht wieder. Ein Mann quält seinen Kollegen, indem er bei der Arbeit rohe Eier isst. Ganz selten ist es in diesem Buch, dass zwei Menschen einander mit Empathie begegnen.

Am schlechtesten finde ich die inhaltlich herkömmlichsten Geschichten, am besten zwei Erzählungen, in denen jeweils zwei Menschen im Dialog miteinander ringen, ohne die Absichten und die Waffen des anderen zu kennen.

 

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