21. September 2007

Furchtbar vielleicht, aber alternativ?
 
Der französische Präsident mahnt uns, wir könnten am Ende des Streits um das iranische Atomprogramm vor der "furchtbaren Alternative" stehen, entweder den Iran bombardieren oder die iranische Atombombe hinnehmen zu müssen. Es ist in der Tat furchtbar, so etwas zu sagen, ohne vorher Alternativen überhaupt probiert zu haben. Es ist außerdem naiv.

Der Streit begann ja mit der Entdeckung einiger atomarer Anlagen, die der Iran über fast zwei Jahrzehnte geheim gehalten hatte. Das hätte er als Unterzeichnerstaat des nuklearen Nichtverbreitungspakts nicht tun dürfen. Der Verdacht liegt daher nahe, dass in diesen Anlagen Brisantes geschieht, dass also die Entwicklung einer eigenen Atombombe verfolgt wird. Es ist zwar nichts bewiesen, aber es gibt weitere Hinweise, die den Verdacht stärken.

Seit Beginn des Streits bietet der Westen dem Iran wahlweise Sanktionen für Fehlverhalten oder Handelsvorteile für Wohlverhalten an. Mit Ausnahme der USA natürlich, die mit dem Iran erst gar nicht reden, ehe der nicht bestimmte Bedingungen erfüllt hat. Das ist autoritäre Erziehung in Reinkultur, nur dass es hier nicht um Kinder geht, sondern um Erwachsene, die ganze Staaten repräsentieren.

Als Alternative könnte man zuerst versuchen zu verstehen, warum der Iran, also die iranische Regierung, der Wächterrat, die Bevölkerung, die Atombombe haben will. Nach Berichten jedenfalls findet das Atomprogramm in der iranischen Gesellschaft große Zustimmung.

Ein zweiter Schritt wäre es, den Iran nicht diplomatisch zu isolieren, sondern umgekehrt einen Zusammenhang herzustellen, der es der iranischen Regierung ermöglicht, Vertrauen zu fassen. Hier könnte man die Organisation der Islamischen Konferenzen einbinden, in der der Iran Mitglied ist. Diese Organisation ist zwar nicht besonders stark, ihre Stimme hat in Verhandlungen mit dem Iran aber sicher ein gewisses Gewicht und vor allem für die Bevölkerung des Irans einen anderen Klang als die Stimme der westlichen Staaten.

Als Drittes müssten die Atomwaffen zumindest der regionalen Feinde Irans auf den Tisch, also die Israels und Pakistans. Und mit der pakistanischen Atombombe natürlich auch die indische. Diese drei Staaten haben mit der Entwicklung eigener Nuklearwaffen ebenfalls gegen den Nichtverbreitungspakt verstoßen, ohne jedoch den Ärger der westlichen Welt auf sich zu ziehen. Das könnte daran liegen, dass sie alle dem Pakt nicht beigetreten sind, aber da der Vertrag mittlerweile von 190 Staaten unterzeichnet worden ist, ist er praktisch allgemeingültig. Ein Staat, der gegen den Pakt verstößt, stellt sich außerhalb der Staatengemeinschaft, ob er unterschrieben hat oder nicht. Was wäre, wenn durch die Einbeziehung Israels, Pakistans und Indiens sogar der ganz große Wurf gelänge? Das würde auch der indische Subkontinent danken.

Na gut, wenn aber auch diese Verhandlungen scheitern, dann stehen wir wohl doch vor Sarkozys Alternative. Oder auch nicht. Wer sagt denn, dass Bomben das iranische Atomprogramm stoppen können? Es könnte auch einen längeren Krieg geben, im Laufe dessen alles mögliche passiert und auch die Bombe munter weiterentwickelt wird.

Es gibt allerdings einen Präzedenzfall. Ich erinnere mich an die Nachricht aus dem Jahr 1981, die israelische Luftwaffe habe ein fast fertiges Atomkraftwerk im Irak zerstört. Das war damals ein einzelner Angriff, dem keine militärischen Handlungen vorausgingen und auch keine folgten. Erst viel später erfuhr ich, dass der Irak an der Atombombe arbeitete und ohne den Reaktor nicht fähig war, genügend spaltbares Material zusammenzubekommen. Einen ähnlichen israelischen Luftangriff scheint es vor einigen Tagen auf Syrien gegeben zu haben. Man sollte meinen, wenn der Fall im Iran ebenso eindeutig wäre und ebenso leicht zu lösen, dann wäre das längst geschehen.

 

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