17. März 2012

Schwyzerenglisch
 
Ich interessiere mich für Kanada. Natürlich weiß ich, dass es eigenartig ist, sich für einen Staat zu interessieren anstatt für eine Landschaft, einen Menschenschlag, eine Sprache. Natürlich weiß ich, dass staatliche Grenzen zu den willkürlichsten Begriffen überhaupt gehören, entstanden hauptsächlich durch Blutvergießen, und dass die meisten Grenzen so aussehen wie die deutsch-dänische: zu beiden Seiten ist Geest, zu beiden Seiten leben Schleswiger, zu beiden Seiten wird sowohl deutsch als auch dänisch gesprochen.

Kanada aber ist klar definiert durch das, was es nicht ist, nämlich die USA, vielleicht ähnlich wie Pakistan nicht Indien ist und Belgien nicht Belgien. Kanada, ursprünglich Jagdrevier einer Pelzhandelsfirma, war die Heimstatt derer, die beim Tee nicht an Politik, sondern an Gebäck dachten, und ist heute ein Land mit einer halben Verfassung. Ansonsten gibt es dort großartige Schriftsteller (Margaret Atwood), Musiker (Joni Mitchell) und Busenwunder (Pamela Anderson), ist es also ein ganz normales Land, nur dass alle Welt diese Leute für Amis hält.

Ich interessiere mich also für Kanada, und als mir billig ein Büchlein mit dem Titel Canadian Slang in die Hände fiel, das mir versprach, mir zumindest die lexikalische und redewendende Seite des speziell kanadischen Englischen näher zu bringen, war ich erfreut und gespannt. Im "Reise Know-How Verlag" ist eine ganze Reihe ähnlicher Bücher unter dem Titel "Kauderwelsch" erschienen. Dieses hat ein promovierter Linguist geschrieben, ein schweizerisch-kanadischer "Doppelbürger", wie es im Buch heißt. Er müsste also deutsch und englisch ganz gut können.

Das Buch ist thematisch gegliedert und enthält zu jedem Thema nach einer kurzen Einleitung eine Liste von Ausdrücken, die zunächst wortwörtlich und dann sinngemäß übersetzt werden. Einige sind auch sehr launig illustriert. So, wie es aufgebaut ist, kann man das Buch im Ganzen durchlesen, was ich getan habe.

Mit seinem eigentlichen Inhalt, den Listen, habe ich aber ein Problem. Es ist nicht, dass ich viele Ausdrücke auch aus dem amerikanischen oder dem britischen Englisch kenne, sie also nicht für speziell Kanadisch halte. Nein, mein Problem steckt in den wortwörtlichen Übersetzungen. Da wird "pit" mit "Spitze" übersetzt, vielleicht eine einem Zeitdruck geschuldete Verwechslung mit "tip", aber auch "hawk" mit "Falke", was auch mit Zeitdruck nicht zu erklären wäre. Ich bin mir ebenso sicher, dass "hawk" in allen Varianten des Englischen die Gattung Accipiter bezeichnet, wie ich mir sicher bin, dass "Falke" in allen Varianten des Deutschen die Gattung Falco bezeichnet.

Dies sind nur zwei von zahlreichen Fehlern und Ungenauigkeiten bei der wortwörtlichen Übersetzung. Wenn das Buch aber schon daran scheitert, wie sollte ich dann den sinngemäßen Übersetzungen trauen? Welchen Sinn hat ein Sachbuch, wenn man vorsichtshalber lieber nicht glaubt, was darin steht? Ich werfe auch die scheißesten Bücher nicht weg, wenn ich sie gelesen habe, aber hier bin ich versucht.

 

Neueste Einträge
Auf baldige Rückkehr  * Deine Maus  * Lorbeerbekränzt  * Sperrmüll  * Wenn der König türmt
mehr
- - - - - - - - - - - - - - - - - - -

Suche

   
- - - - - - - - - - - - - - - - - - -

<<     >>
<<  "Sprache"  >>

- - - - - - - - - - - - - - - - - - -

Blogroll
Chronos Krumlov   Harry Oberländer
Timon of Athens   William Shakespeare
Milkman   Anna Burns
Was ist Populismus?   Jan-Werner Müller
The Collector of Treasures   Bessie Head

Rockroll
Artikulation   György Ligeti
Thick as Thieves   Larkin Poe
Like Water   Trillion
Pithoprakta   Iannis Xenakis
Little War, Little Less   James Apollo
- - - - - - - - - - - - - - - - - - -

zhanna (a) peripatetik.de