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23. April 2012 Das Leben ein Karneval Zu den vielen Büchern, die ich im letzten Jahr geschenkt bekommen habe, gehört Das Handbüchlein der Moral von Epiktet. Die überbrachte Ausgabe ist unter dem Titel Das Buch vom geglückten Leben aus dem Lateinischen übersetzt worden. Warum man diesen Umweg gegangen ist und nicht direkt aus dem Griechischen übersetzt hat, wird nicht erklärt. Dafür gibt es in einem Anhang Erklärungen zur Philosophie Epiktets. Allerdings wird nicht aufgezeigt, inwiefern sich Epiktets Auffassungen von denen früherer Stoiker unterscheiden, warum man also ihn lesen und nicht einfach bei Seneca bleiben sollte. Ich kenne mich da nämlich nicht aus. Und so staune ich, von einem Menschen, der eher meine Einstellungen teilt, ein Buch zu bekommen, das diesen so konträr gegenüber steht. Es wurde mir denn auch als anregende Gebrauchslektüre an die Hand gegeben, allein so ein Leser bin ich nicht. Ich muss verstehen. Natürlich vertritt Epiktet als Stoiker die stoische Gelassenheit, er begründet sie aber nicht. Begründungen halten auf, sagt er, und man solle sich darauf konzentrieren, die Lehrsätze zu befolgen. Er empfiehlt aber nicht nur Gelassenheit bei schicksalhaften Ereignissen, guten oder schlechten, sondern auch Zurückhaltung bei Gastmählern, Theaterbesuchen und beim Lachen. Offenbar liebt er die Stille. Das sei ihm gegönnt, ist aber philosophisch nicht von Belang. Die Gelassenheit gegenüber dem Schicksal entspringt einem anderen Bedürfnis, nämlich dem, nicht leiden zu müssen. "Du wirst keinerlei Schaden leiden müssen", heißt es, "so wird es dich nicht anfechten" und "dein Leben wird ruhig dahinfließen." Für mich ist das nichts Erstrebenswertes. Ruhig dahinfließen wird mir die Zeit schon im Tod, da darf jetzt gern einiges passieren. Ich will mich auch anfechten lassen. Gefühl und Mitgefühl sind für mich die wesentlichen Elemente des Lebens, nicht essen und schlafen. Das sage ich vielleicht, weil ich genug Nahrung und Schlaf bekomme. Mangel daran war aber auch Epiktets Problem nicht. Mit dem Leiden ist es so eine Sache. Es wäre unsinnig zu sagen, ich litte gern. Das Leiden gehört aber zum Leben wie die Freude, die denn auch nicht zu kurz kommen sollte. Mahatma Glück, Mahatma Pech. Genau, das Leben ist ein Karneval, auch wenn ich persönlich es auch nicht gern laut durcheinander habe. Bei den Stoikern habe ich immer den Eindruck, sie lehnen das Leben insgesamt ab. Interessant finde ich, dass Epiktet nicht wie Kant die Grundlage einer allgemeinen Gestzgebung sucht, sondern unterscheidet, man müsse "entweder die Stellung eines Philosophen oder die eines gewöhlichen Menschen einnehmen." Ihm scheint klar zu sein, dass eine Gesellschaft nicht bestehen kann, wenn allen alles egal ist. Auch der Philosoph soll sich nämlich mit dem "notwendigen Bedarf an Speise, Trank, Kleidung, Obdach, Dienerschaft" versehen, und das muss ja irgendwoher kommen. Apropos Dienerschaft: Epiktets Philosphie ist die einer herrschenden Klasse und steht bei mir schon deshalb auf verlorenem Posten.
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